IM NETZ DER GEWALT
Maitreffen der Anamnesegruppen in Kiel
Die Gewalt fängt nicht an
wenn einer einen erwürgt
Sie fängt an
wenn einer sagt:
"Ich liebe dich:
du gehörst mir!"
Die Gewalt fängt nicht an
wenn Kranke getötet werden
Sie fängt an
wenn einer sagt:
"Du bist krank:
Du mußt tun, was ich sage!"
Die Gewalt fängt an
wenn Eltern
ihre folgsamen Kinder beherrschen
und wenn Päbste und Lehrer und Eltern
Selbstbeherrschung verlangen
Die Gewalt herrscht dort
wo der Staat sagt:
"Um die Gewalt zu bekämpfen
darf es keine Gewalt mehr geben
außer meiner Gewalt!"
oder wo die Kritik nichts tun darf
sondern nur reden
und die Heiligen und die Hohen
mehr tun dürfen als reden
Die Gewalt herrscht dort wo es heißt:
"Du darfst Gewalt anwenden!"
aber oft auch dort, wo es heißt:
"Du darfst keine Gewalt anwenden!"
Die Gewalt herrscht dort
wo sie ihre Gegner einsperrt
und sie verleumdet
als Anstifter zur Gewalt
Das Grundgesetz der Gewalt
lautet: "Recht ist, was wir tun.
Und das was die anderen tun
das ist Gewalt!"
Die Gewalt kann man vielleicht nie
mit Gewalt überwinden
aber vielleicht auch nicht immer
ohne Gewalt
- Erich Fried -
"Gewalt ist keine Lösung",
„Gewalt ist keine Lösung“, das ist ein Ur-Satz, der in uns nachklingt und doch werden wir von Kindheitsbeinen an mit Gewalt konfrontiert. Da gibt es die ferne Gewalt in Nachrichten und Fernsehen, jene in Filmen und Spielen und die alltägliche Gewalt in Sprache und Umgang. Gewalt ist Macht und wo kafkaesk geschaltet und gewaltet wird, da bin ich machtlos, kurz vor der Ohnmacht. Dieses Gefühl kann einen schon im Umgang mit braven Beamten, die doch nur ihres Amtes walten, ergreifen, die versuchen dich mit in den Strudel der Verwaltung hinab zu reißen. Also Obacht:
Denn Gewalt ist auch Zwang. Im kleinen Rahmen zwinge ich dir meinen Willen auf, global können diese Zwänge gewaltige Ausmaße annehmen. Immer dort, wo Handlungen und Meinungen erzwungen werden, ist die Freiheit beschnitten, sodass es erschreckend ist, wie präsent Gewalt in all ihren Formen ist. Sei es als Mittel oder Zweck, als Werkzeug oder Ausbruch, Gewalt beherrscht den Alltag, auf beiden Seiten des Bildschirms. Gewalttätig zu sein, das scheint ein Potential zu sein, welches in allen von uns ruht, bereit sich zu entladen oder kanalisiert zu werden, durch welches Beziehungen zu Grunde gehen und auf welches Staaten gebaut werden.
Versuchen wir einen roten Faden zu finden, dann schlängelt sich dieser von irgendetwas Brachialem in uns aus, durch Phantasien und Gedanken, wird an Doktrine genagelt und klingt in Befehlen nach. Sickert aus unseren Blicken und Bewegungen heraus, trägt unsere Worte und umspinnt uns und unsere Umgebung, webt ein Muster in dem wir unseren Alltag verleben. Zögernd wendet er sich vom Menschen ab und schaut sich um auf diesem Planeten, um dann doch den Weg in die Vertikale zu suchen, klettert an Wirtschaft und Politik immer höher hinaus, um von oben wiederum als Geschichte und Geschichten hinunter zu fallen. Der Faden wird zum Netz, Anfang und Ende sind nicht mehr zu finden, Kausalität ist vorhanden, nur in welche Richtung?
Nehmen wir uns doch als roten Faden! Als angehende Psychologen und Ärzte oder besser gesagt, Menschen mit offenen Augen und Verantwortung, werden wir täglich im Beruf, und sind es schon im Leben, mit psychischer und physischer Gewalt konfrontiert. Wo begegnet uns diese und wie erkennen wir sie? Wie können wir helfen und selber damit umgehen? Was tragen wir in uns und beobachten wir in der Gesellschaft?
Auf dem diesjährigen Maitreffen wollen wir in das große Thema Gewalt eintauchen, es von verschiedensten Seiten beleuchten und diskutieren. Wir haben versucht durch zahlreiche Workshops und Vorträge ein möglichst vielseitiges Programm zu entwerfen und das Thema von allen möglichen Blickwinkeln zu betrachten ohne uns darin zu verlieren. Wir freuen uns nun riesig mit euch und euren freien und kritischen Köpfen diesen Weg gemeinsam zu beschreiten!
WIR LADEN euch
zu uns nach Kiel...
Stadtführungen
Bei den Stadtführungen könnt ihr zwischen verschiedenen Möglichkeiten wählen:
1.
Geschichts
werkstatt :
Gewalt in der Geschichte Kiels, zeitgeschichtliche Themen und die aktuelle Situation
2.
Stadtführung mit Kunstschwerpunkt (in Gaarden)
3.
Grenzgän
ger Kiel:
Flucht und
migrantisches Leben
(in Gaarden)
Haus der Lehre
Unsere Workshops finden hauptsächlich im „Haus der Lehre“ des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) statt.
Da wir das Wochenende aber nicht nur im grauen Krankenhaus rumhocken wollten, haben wir uns mit der "Alten Mu", einem kleinen, feinen kulturellen Örtchen zusammengetan, die für uns eine zentrale Rolle unserer Kultur- und Freizeitgestaltung bedeutet.
Die Alte Mu
Die "Alte Mu" ist ein gemeinütziger Verein und befindet sich in den ehemaligen Räumlichkeiten der Muthesius Kunsthochschule (MKH), die 2012 mit künstlerischen und alternativen Projekten besetzt wurde und somit dem bevorstehenden Abriss entronnen ist. Die Gebäude der "Alten Mu"sind nur einen Katzensprung vom UKSH entfernt. Neben den ansässigen Kunstateliers, die weiterhin von den Studierenden der MKH genutzt werden, haben vielerlei Projekte, wie Goldeimer (Komposttoiletten), WerkstattKonsum (offene Werkstatt), das Lichtfeldstudio (Fotographie) und das Fahrradkino, hier ihr Zuhause gefunden. Wir nutzen hauptsächlich den Raum des Fahrradkinokombinats als Anker und Sammelpunkt für diverse Treffen und das gemeinsame Frühstück am Morgen. Mittags werden unsere hungrigen Bäuche mit leckerem, vegetarischem Essen der Alten Mensa gefüllt. Da Kiel mit seiner Größe nicht prahlen kann und sich alle hier für kurze Wege auf’s Fahrrad schwingen, möchten wir euch für die Zeit die Möglichkeit geben, Fahrräder zu leihen ! Wer nicht fahren kann oder mag, wählt doch bitte die Option Busticket aus!
Wege
Da Kiel mit seiner Größe nicht prahlen kann und sich alle hier für kurze Wege auf’s Fahrrad schwingen, möchten wir euch für die Zeit die Möglichkeit geben, Fahrräder zu leihen ! Wer nicht fahren kann oder mag, wählt doch bitte die Option Busticket aus!
...in eine kleine, schnuckelige nordische Studentenstadt, ein!
Wenn die tristen, grauen, nieseligen Tage ein Ende haben und der Sommer naht, blüht die Stadt auf und das Leben draußen auf den Straßen, im Grünen und am Meer beginnt. Dann bevölkern viele bunte Studenten Kiels Straßen. Die fußläufig erreichbare Förde unterteilt West- und Ostufer.
Die meisten jungen Leute wohnen auf dem Westufer und bekommen von dem Leben auf dem Ostufer ( u.a. Gaarden) nicht viel mit. Da diese Seite des Ufers dem Westufer vor allem in kultureller Diversität voransteht, wollen wir mit unseren Stadtführungen auch einen Blick dahinlenken.
PROGRAMM
KONZEPT
Zur Auseinandersetzung mit dem Thema „Gewalt“, dient unser Konzept als ein Grundgerüst für alle Gruppen und bietet gleichzeitig eine Möglichkeit für die Betrachtung individueller Thematiken.
Jede der 6 Gruppen wird 4 Sitzungen durchlaufen:
1. Sitzung
Gewalt und Ich
Die erste Sitzung beinhaltet eine themenspezifische Einarbeitung und Selbsterfahrung zum Konzept der Gewalt. Dabei werden ausgehend von einer Definition des Gewaltbegriffs, Fragen wie „Was ist meine eigene Gewalt, d.h. welche Reaktionen habe ICH auf Gewalt als Opfer, Täter oder Zuschauer?“ und „Wo sind meine Grenzen?“ gestellt. Die Workshops werden von den Tutoren selbst, oder in Zusammenarbeit mit Körper-und Gestalttherapeuten oder Schauspielern verwirklicht.
2. Sitzung
1.Workshop
Gewalt und Patient
Der erste Workshop konzentriert sich auf die ausgeübte Gewalt am Patienten, die Tat selbst, die Auswirkungen auf Patient und Therapeut und der Umgang des Patientens mit der Tat.
3. Sitzung
2.Workshop
Gewalt, Therapeut und Patient
Der zweite Workshop fokussiert den Dualismus der Therapeuten- Patienten-Beziehung.
Wie erkennen wir Gewalt in der Therapeuten-Patienten-Beziehung und wie können wir intervenieren? Welche Funktionen haben wir als Therapeuten?
4. Sitzung
Anamnesegespräch
Den Abschluss in den einzelnen Gruppen bildet das Anamnesegespräch.
Vorträge
Gewalt und Gesellschaft
Anbieten werden wir insgesamt 4 öffentliche Vorträge für alle Teilnehmer, die von Philosophen, Analytikern und Medizinhistorikern gehalten werden und von „Sprache und Gewalt“ über das „Libidinöse in der Gewalt“ bis hin zur Gesellschaft vs. Individuum und Politik reichen.
Vorträge
Zum Libidinösen in der Gewalt
Prof. Dr. med. Lutz Götzmann
Chefarzt, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Bad Segeberg;
APL Professor Universität zu Lübeck
Ausbildung: 1. Freud Institut Zürich, Schweizerische Gesellschaft für Psychoanalyse (SGPsa)
In dem Vortrag wird zunächst der Frage nachgegangen, inwiefern und inwieweit Gewalt und Grausamkeit des Subjekts zum Register der Libido zählen, d.h. zu jener Macht, welche Freud als „Lebenstrieb" bezeichnete. Diese Frage wird in verschiedenen Kontexten behandelt, natürlich in dem Kontext des Traumatisch-Privaten, also auf der psychotherapeutischen Ebene, aber auch in der davon keineswegs zu differenzierenden Sphäre der Politik und Ökonomie. Überall drängt sich das deSade'sche Phantasma auf, das – frei nach Jacques Lacan - die privaten, politischen und ökonomischen Täter zu entindividualisieren scheint. Die Ausführungen schließen mit der Frage nach der Verantwortung.
Gesetz, Überschuss, Subjektkonstitution. Zum Mehrwert von Gesetzeskraft in Subjekt und Gesellschaft
Prof. Dr. Dominik Finkelde SJ
Professor für Erkenntnistheorie und Philosophie der neuesten Zeit, Philosoph und Dramatiker.
Studium der Literaturwissenschaft und der Philosophie in Berlin (FU) und Paris (Paris VIII),Theologiestudium in Paris; 2003-2005, diverse Dozententätigkeiten.
Ein tiefes Philosophieren, dass wir hier nicht einfach in Worte packen können.
Sprache, Macht, Gewalt.
Reflexionen über ihr Verhältnis
mit Foucault, Butler und Spivak
Dr. phil. Hilmar Schmiedl-Neuburg
Philosoph und Gestalttherapeut, Leitung des philosophischen Seminars der CAU- Kiel, veröffentliche verschiedene Publikationen zum Zwischengebiet von Philosophie und Psychotherapie, zuletzt erschienen " Philosophie, Psychoanalyse, Kultur", Peter Lang 2017
Im Mittelpunkt dieses Vortrags wird das Verhältnis von Sprache und Macht bei Michel Foucault, Judith Butler und Gayatri Spivak stehen und welche Implikationen diese Gedanken für die Bedeutung und das Verständnis von Gewalt mit sich führen.
Ware Medizin
Paul Ulrich Unschuld
Sinologe und Medizinhistoriker
Autor des Buches die "Ware Medizin".
Wir lassen uns überraschen.
Workshops &
Anmeldung
Hier meldet ihr euch für eine Gruppe an und werdet dann weitergeleitet!
Die Teilnehmeranzahl pro Gruppe ist auf 12 Leute begrenzt.
Update: Moin Leute! Die Workshops sind voll! Wir freuen uns RIESIG über Euer Interesse! Für alle, die jetzt zu kurz gekommen sind und KEINEN Platz bekommen haben: Schreibt uns ne Mail mit euerer 1. & 2. Wahl, dann setzen wir Euch auf die Warteliste!
Sobald ihr euch angemeldet habt, bekommt ihr eine Email mit den Kontodaten, auf die ihr die Teilnahmegebühr von 35,00 € bitte innerhalb von 14 Tagen überweist!
Erst damit ist die Anmeldung kompletti.
Anmeldeschluss ist der 25. März 2018.
Über Uns
Vor 5 Jahren brachten 4 Studentinnen aus Marburg die Anamnesegruppe wieder nach Kiel. Anfangs nur für Medizinstudierende zugänglich, ist sie stetig gewachsen und mittlerweile halten sich Medizin- und Psychologiestudierende die Waage. Wir haben meistens 3 Gruppen pro Semester mit einer Gruppengröße von 7 bis 15 TeilnehmerInnen. Bei uns sind alle vom 1.-12. Semester willkommen. Wir möchten gerne eine unabhängige Eigeninitiative sein und bleiben. Darum ist es jedem Tutorenpaar selbst überlassen, den Fokus zu setzen, sei es durch Selbsterfahrung und/oder krankheits- und patientenkonzentrierte Analysen. Was unsere Gruppen allerdings gemeinsam haben, ist das Akzentuieren der interpersonellen Beziehung zwischen PatientIn und GesprächsführerIn, die Reflexion des Gesprächs und fundierte Feedback-Runden. Dabei ist es uns stets wichtig ein vertrauensvolles Verhältnis in der Gruppe zu schaffen.